
Empfehlungsliste 2024
Die Bilderbücher des Jahres 2024 zeichneten sich durch zweierlei aus: Zum einen ist uns aufgefallen, wie viele Papas hier – und nicht nur in den Titeln unserer Empfehlungsliste – ihre Kinder unterstützen! Zum anderen rücken bedrohliche Themen wie Mobbing und Unterdrückung in den Fokus und greifen damit ein gesellschaftliches Problem auf, das jetzt leider auch schon bei den jüngeren Kindern in den Kitas angekommen ist. Wie erschreckend, dass es da schon Thema ist – und wie gut, dass es Bilderbücher gibt, die helfen, darüber zu sprechen und Kinder darin zu stärken, Zivilcourage zu zeigen und das Richtige zu tun. Starke Papas also und Ermutigung stecken besonders in den folgenden Titeln, die im Jahr 2023 erschienen sind.
Benjamin – Ein kleiner Fisch mit großem Mut
Der kleine rote Fisch namens Benjamin ist recht zufrieden mit seinem Leben und seinen Freunden. Als er jedoch eines Tages von der berüchtigten Fisch-Gruppe gefragt wird, ob er das elfte Mitglied ihrer Bande werden will, fühlt er sich geschmeichelt und schließt sich an, auch wenn sein Name fortan nicht mehr Benjamin, sondern „Nummer 11“ lautet. Diese elf können sich alles erlauben. Stets bekommen sie, was sie wollen, und sie werden von allen respektiert. Mit der Zeit merkt Benjamin allerdings, dass die anderen Fische sie nicht wirklich respektieren sondern vielmehr fürchten, und er fängt an, genauer hinzuschauen. Er nimmt immer mehr Situationen wahr, mit denen er nicht einverstanden ist und weiß, dass er bald eine unangenehme Entscheidung fällen muss. Als er schließlich seinen ganzen Mut zusammennimmt und sich gegen die Bande stellt, passiert etwas völlig Unerwartetes ...
In diesem wunderschön illustrierten, in Pastellfarben gehaltenen Bilderbuch werden gleich zwei wichtige Themen angesprochen: Mobbing und Zivilcourage. Der kleine, schüchterne Benjamin zeigt, wie wichtig es ist, nicht einfach mit dem Strom zu schwimmen, sondern selbst zu denken und zu handeln – damit ist er ein großartiger Huckepacknehmer für alle kleinen und großen Menschen, die sich mit dem Buch befassen.
(Angelika Nitschke)

Rocio Bonilla
(Text & Illustration):
Benjamin.
Ein kleiner Fisch mit großem Mut
Hamburg: Jumbo, 2023
Schmetterlingskind
Nichts spielt der namenlos bleibende kleine Junge in Marc Majewskis Bilderbuch „Schmetterlingskind“ lieber als Schmetterling. Phantasievoll und mit viel Liebe zum Detail bastelt er sich die schönsten Flügel, verkleidet sich und tanzt glücklich durch den Wald. Doch diese von Majewski so kraft- und schwungvoll in Szene gesetzten Momente sind nicht von langer Dauer: Andere Kinder kommen hinzu, und ihren grimmigen Gesichtern ist anzusehen, dass sie nichts Gutes im Sinn haben. Voller Angst vor dem, was kommt – „schon wieder“ kommt! – will der Junge seine Flügel mit den Armen verbergen, sie schützen. Aber die Kinder lassen erst von ihm ab, als alles Schöne zerstört ist. Mit hängendem Kopf geht der Junge nach Hause, nicht länger ein Schmetterling, stattdessen ein trauriges, einsames Kind. Der Vater, der bis zu diesem Moment keine aktive Rolle in der Geschichte gespielt hat, sieht sein niedergeschlagenes Kind und tröstet ohne große Worte. Er bringt etwas zu essen, ist einfach da, schließt den Jungen in eine innige Umarmung, der im Buch eine wunderbare große Doppelseite gewidmet wird. Mit Gabel und Löffel deutet er Schmetterlingsfühler am Kopf des Kindes an, das sich nun erneut an sein großes Bastelwerk wagt und ein neues Kostüm gestaltet. Wieder geht es in den Wald, wieder kommen die anderen Kinder. Doch durch den Rückhalt des Vaters bestärkt, versteckt der Junge seine Flügel diesmal nicht, sondern geht mit erhobenem Kopf an den anderen vorbei, selbstbewusst – und dadurch unbehelligt. Das in leuchtenden Farben gestaltete Bilderbuch zeigt, wie gut und einfach ein Elternteil sein Kind HUCKEPACK nehmen kann – durch vorbehaltlose Liebe.
(Maren Bonacker)

Marc Majewski
(Text & Illustration):
Schmetterlingskind
Aus dem Englischen
von Katharina Naumann.
Hamburg:
von Hacht Verlag, 2023
Nicht mehr da
Was tun, wenn etwas Wichtiges für immer verschwindet? Anrührend erzählt Eva Dax, wie sich der kleine Pepe den Verlust seines Schneemanns zu Herzen nimmt. Sabine Dully unterstreicht die Geschichte mit einfühlsamen Illustrationen.
Eines Tages schaut Pepe aus dem Fenster und sieht, dass sein Schneemann nicht mehr da ist. Im Rückblick wird erzählt, dass er Pepes bester Freund war – er war immer da, wenn Pepe aus der Schule kam; gemeinsam beobachteten sie Wolken und lutschten Eiszapfen. Dann veränderte sich der Schneemann, wurde kleiner und kleiner. Eines Morgens ist der Schneemann endgültig verschwunden. Während das Leben für alle anderen seinen gewohnten Gang geht, bleibt Pepe traurig zurück ohne zu verstehen, was es bedeutet, dass der Schneemann einfach nicht mehr da ist. Pepe geht mit seiner Trauer durch das Jahr. Erst als es wieder Winter wird, begreift er, dass ihm trotz des schmerzlichen Verlusts ganz viel von dem, was beide zusammen erlebt haben, geblieben ist. „‚Mein Schneemann ist geschmolzen‘, dachte Pepe. ‚Aber ich fühle seine Ruhe und ich höre sein Schweigen. Und ich kann die Welt noch immer durch seine Augen sehen. Da ist so viel von ihm in mir. Das bleibt.‘“ Die Erinnerung trägt Pepe und hilft ihm schließlich, den Verlust zu verarbeiten. Ein einfühlsames Bilderbuch nicht nur über Schneemänner, sondern übers Altwerden, Abschiednehmen und den Trost, den gemeinsam verbrachte Zeit über den Tod hinaus spenden kann.
(Sabine Coldehoff)

Eva Dax (Text)
& Sabine Dully (Illustration):
Nicht mehr da
München: Knesebeck, 2023
Meck & Schneck – Ein Löwe ist kein Kuscheltier
Schneck ist ängstlich. Vieles ist ihm zu hoch, zu tief, zu dunkel, zu nass oder einfach zu gefährlich. Die anderen Schnecken trauen ihm nicht viel zu und lassen es ihn auch wissen. Zu gerne wäre Schneck nicht mehr ängstlich! Da hat er eine geniale Idee: Vielleicht sollte er einfach einen Löwen fangen, denn – so denkt er – dafür braucht man Mut, und wer Mut hat, ist nicht mehr ängstlich. Entschlossen macht er sich auf den Weg. Zufällig trifft er auf den kleinen Meck, der ihn – neugierig geworden – fragt, ob er ihn begleiten kann. So nimmt Schneck den viel kleineren Meck mit auf die abenteuerliche Reise. Sie entdecken, dass sie gemeinsam vieles leichter schaffen. Angst kennt auch Meck, aber Meck ist davon überzeugt, dass man sich auch als kleines Tier nicht vor allem fürchten muss. Als Schneck und Meck dann auf die ersten Hindernisse stoßen, ist es der kleine Meck, der Schneck ermutigt seine Ängste zu überwinden, indem er ihm versichert, dass er ja bei ihm ist. So bewältigen sie gemeinsam alle Hindernisse und wachsen über ihre Ängste hinaus. Als sie dann tatsächlich auf einen Löwen treffen, haben sie ihren ganz eigenen, kreativen Weg, ihn „gefangen zu nehmen“. Durch diesen Erfolg beflügelt gehen sie gemeinsam in das nächste Abenteuer.
Die Geschichte beschreibt, wie Freundschaft und Zusammenhalt dazu beitragen, Ängste zu überwinden und wie man sich gegenseitig helfen und Mut machen kann. Ein schöner Huckepack-Gedanke!
(Sabine Coldehoff)

Michael Engler (Text)
& Matthias Derenbach (Illustration):
Meck & Schneck.
Ein Löwe ist kein Kuscheltier
Ravensburg: Ravensburger, 2023
Der erste Schritt
In dem Internat der Schäfin ist alles geregelt. Die Kinder müssen sich nie selbst etwas ausdenken, und das finden sie sehr bequem. Um das Internatsgelände geht eine weiße Linie: die Grenze. Niemand darf sie übertreten, dahinter ist es gefährlich. Die Kinder sind in zwei Gruppen aufgeteilt, die mit den dunkelblauen und die mit den lichtblauen Kleidern.
Die Dunkelblauen dürfen tagsüber tanzen, trommeln und malen. Die Lichtblauen schälen Kartoffeln, putzen Stiefel und waschen Socken. Die Kinder merken die Ungerechtigkeit, können sie aber nicht ändern. Da hat eins der dunkelblau gekleideten Kinder eine Idee. Heimlich tauschen sie mit den Lichtblauen ihre Kleider, und zum ersten Mal können die Lichtblauen spielen. Später entdecken die Kinder weitere kleine Möglichkeiten zum Rebellieren. Und als ihr Ball über die weiße Grenze rollt, geht ein mutiges Kind vorsichtig hinüber. Nichts passiert – und leise folgt nun ein Kind dem anderen ...
Das Buch regt dazu an über Recht und Unrecht nachzudenken. Es zeigt, dass es nicht einfach ist, festgefahrene Gewohnheiten zu ändern und dass es Mut braucht, um der ersten Schritt zu gehen – Mut und die Bereitschaft, sich selbst zurückzunehmen. Eine packende Parabel über Gerechtigkeit und Solidarität.
(Marco Holmer)

Pija Lindenbaum
(Text & Illustration):
Der erste Schritt
Aus dem Schwedischen von Jana Hemer.
Leipzig: Klett Kinderbuch, 2023
Als Mama einmal unsichtbar war
Die Krebserkrankung ihrer Mutter bedeutet für Hennie vor allem, dass nach und nach alles verschwindet: Mamas Wörter und Mamas Lachen, Mamas Kraft und Mamas Appetit, Mamas Haare und schließlich Mamas Präsenz im Alltag. Hennie reagiert auf diese Veränderungen zunächst mit kindlichen Erklärungsversuchen, spielerischem Kampfgeist und genauer Beobachtungsgabe, wird aber immer wieder enttäuscht. Denn das Krabbenmonster lässt sich mit Stöcken nicht besiegen, die ehrlichen Wörter stecken im fiesen Wörterstau fest, ins coole Krankenhaus darf Hennie nicht mit, als Wildpferd macht Mama schlapp und Hennies Pfannkuchen-Fütterungsversuch scheitert an Mamas Appetitlosigkeit. Im Fokus steht also ein resilientes Kind, das sich den Gegebenheiten mit aller Kraft anzupassen versucht. Erst als statt Mama Tante Greta am Kindergartenzaun steht, schlägt Hennies Tapferkeit in Wut um. Von oben bis unten rot und mit übergroßem verzerrtem Gesicht dominiert Hennie die folgende Doppelseite, tritt um sich, wirft Gegenstände durchs Zimmer und lässt Papa und Tante Greta hilflos und überfordert in den Hintergrund treten. Genau in diesem Moment größter Verzweiflung wächst die zum Bademantel-Gespenst gewordene Mama über sich hinaus, um Hennie im Umgang mit all den Veränderungen zu unterstützen und mit ihr gemeinsam einen Weg zu finden, die lange Zeit bis zur Genesung zu bewältigen. Der Moment, in dem die durch Krankheit gezeichnete, bleiche und glatzköpfige Mutter ihre Tochter in den Arm nimmt und ihrer Tochter ungeachtet ihrer eigenen Kraftlosigkeit neue Kraft gibt, gehört zu den ganz großen HUCKEPACK-Momenten!
(Elisabeth Hollerweger)

Julia Rosenkranz (Text)
& Nele Palmtag (Illustration):
Als Mama einmal unsichtbar war
Leipzig: Klett Kinderbuch, 2023
In der Schlange der Träume
Als die Herren des Krieges immer wütender werden, packt ein Vater seinen Sohn in einen großen Koffer und macht sich mit ihm auf den Weg: durch Sonne und Schnee, mit trockenen Mündern und leeren Mägen. Das Kind wird dabei nicht nur im Koffer getragen, den der Vater immer wieder von einer Hand in die andere nehmen muss, sondern vor allem durch die Geschichten, mit denen der Vater die existentiellen Bedrohungen der Flucht positiv umdeutet. Warum die Grenzwächter sie nicht weiterlassen? Weil der Vater die notwendige Einladung in der Hektik zu Hause vergessen hat! Was sie stattdessen tun? Seefahrer werden! Warum nur der Sohn eine Schwimmweste bekommt? Weil der Vater genug Muskeln hat! Warum das Schiff nicht an Land gehen darf? Weil der Empfang erst noch gebührend vorbereitet werden muss! Warum die Zeit im Lager so lange dauert? Weil alle Länder Europas sie haben wollen! Im Zusammenspiel der kindlich unbedarften Ich-Perspektive mit den Bildern, die eine ganz andere Geschichte sichtbar werden lassen, entsteht eine zutiefst anrührende Tragikomik. Die beiden Protagonisten erscheinen dadurch nicht als Opfer in einem weiteren Fluchtbuch, sondern als Helden der Fantasie und der Resilienz. Obwohl der Sohn die Träume des Vaters von einem besseren Leben in einem neuen Land schlussendlich nicht mehr teilt, sondern sich in die Schlange nach Hause wünscht, wird er doch weiterhin von der ermächtigenden Wirkung des Erzählens getragen, mittels derer der Vater ihn einst huckepack genommen hat.
(Elisabeth Hollerweger)

Rita Sineiro (Text)
& Laia Domènech (Illustration):
In der Schlange der Träume
Aus dem Spanischen
von Katharina Diestelmeier.
München: Knesebeck, 2023
Nicht immer nur Blau
Ein namenloser kleiner Junge lebt in einer Welt, in der per Gesetz alles blau sein muss – sogar Büsche und Bäume werden blau gefärbt, alle bunten Gegenstände eingesammelt und in Müllsäcken entsorgt. Zum Glück kann der Junge ein gelbes Gummientchen retten und in seinem Schrank verstecken – denn er liebt Gelb! Nachts badet er im gelben Schein seiner verbotenen Schätze. Als sein Vater das Geheimnis entdeckt, ist er wider Erwarten nicht böse. Im Gegenteil, er hat eine Idee, wie sie die Welt gemeinsam wieder bunt machen können.
Gesetz ist Gesetz? Tja, so ist das eben, mein Kind?! Hier wird von einer ungeheuerlichen, sofort mit bloßem Auge erkennbaren Einschränkung durch eine normative Gesellschaft erzählt. Und dann folgt ein fast noch größerer Schock – nämlich welchen Unterschied es machen kann, wenn ein verständnisvoller Vater seinem Kind zuhört, es huckepack nimmt und etwas verändert. Dieser Vater ist ein Versteher und ein Macher, auf Augenhöhe mit seinem Sohn. Dass es dem Autor Robert Tregoning mit seiner Geschichte auch um gesellschaftliche Diversität und Anerkennung für die LGBTQ+ Community geht, interessiert wohl eher die erwachsenen Leser. Für die Kinder sind Lieblingsfarben etwas nachvollziehbar Wichtiges. Und Stef Murphy hat wie mit einem Zauberpinsel dem kleinen Jungen Regenbogen-Flügel gemalt, während die Stadt in allen Farben leuchtet. Ein Buch darüber, dass Freiheit und Vielfalt zusammengehören und dass beides unser Leben erst lebenswert macht.
(Ingmarie Flimm)

Robert Tregoning (Text)
& Stef Murphy (Illustration):
Nicht immer nur Blau
Aus dem Englischen von Yvonne Hergane.
Zürich: Atrium Verlag, 2023
Träumer
Auf dem Heimweg von der Schule in Papas Auto fühlt Aaron sich unsicher. Sie haben darüber gesprochen, was die Kinder später einmal machen möchten. Sie können einfach alles werden, hat die Lehrerin gesagt. Aber Aaron ist damit nicht glücklich. Er weiß nicht, was er sagen kann. Bei einem Spaziergang durch den Wald will ihm der Vater erklären, inwiefern sich Kinder voneinander unterscheiden: Es gibt die Denker und die Macher, und dann sind da noch die ... Bevor er diese dritte Gruppe benennt, hat Aaron sich hinfortgeträumt. Die Worte seines Vaters dehnen sich ins Unverständliche, werden zu Tierlauten, so wie der ganze Wald plötzlich für Aaron bevölkert ist mit den wundersamsten Gestalten, die farbenprächtig und voller Leben über ihn hinwegströmen, ihn durchfluten und mitreißen in einem Strudel voller Farben und Geräusche. Erst bei Papas letztem Satz ist Aaron zurück, hört wieder zu: „Sie sind etwas ganz Besonderes!“ Aber wer? Wovon hat Papa gesprochen? Erst abends fällt es Aaron ein – es waren die Träumer, die den Vater so begeistern. Die Menschen, die die Welt später bunter und schöner machen. In einem Nachwort zählt Mark Janssen historische Persönlichkeiten auf, die ebenfalls geträumt haben und zeigt damit allen fantasiebegabten Kindern, dass sie vielleicht einmal Großes erreichen können. Sehr ermutigend und wunderschön illustriert!
(Maren Bonacker)

Mark Janssen:
Träumer
Aus dem Niederländischen
von Saskia Luka.
Ravensburg: Ravensburger, 2023
Vincent und ich
Der namenlos bleibende Ich-Erzähler aus „Vincent und ich“ ist ein einsamer, schüchterner Schuljunge. Wäre er ein Tier, dann sicher ein scheuer, stiller Hase. Zum Mitspielen wird er selten eingeladen, doch er behauptet, sowieso lieber zuzuschauen. Als Vincent neu in seine Klasse kommt, ändert sich alles. Vincent ist ein kräftiges Nashorn. Sie werden Freunde und machen alles zusammen. Vincent ist laut, wild und stark. Gemeinsam leben sie diese Wildheit aus und zusammen sind sie unbesiegbar. An der Seite von Vincent wird die zurückhaltendere Hauptfigur plötzlich von allen gesehen. Aber manchmal wird aus Vincents Wildheit Wut, dann zerstört er Dinge und tut anderen weh. Davor hat der Junge, der die Geschichte erzählt, Angst. Als die beiden Paul aus der Nebenklasse begegnen, rempelt Vincent ihn absichtlich an und drückt ihn zu Boden, um seine Wut loszuwerden. Plötzlich hat der Ich-Erzähler ein Problem: Er will nicht mehr mit Vincent befreundet sein – aber will er dann wieder alleine und einsam sein? Dieses Dilemma wird sehr einfühlsam dargestellt: Wie weit will man in einer Freundschaft gehen? Auf welche Seite stellt man sich? Und was bedeuten die daraus resultierenden Folgen für einen selbst?
Die wie Skizzen gemalten Illustrationen sind die Träger der Geschichte. Sie zeigen genau, was in dem Kopf der Hauptfigur vor sich geht. Ein starkes Buch über Zugehörigkeit, moralische Grenzen, und die Angst, einen Freund zu verlieren. Aber auch eines über Zivilcourage und die Möglichkeit, neue Freundschaften zu schließen.
(Marco Holmer)

Stefan Karch:
Vincent und ich
Innsbruck: Tyrolia, 2023